Während die Kollegen der Bahn AG streiken, dampfen Lokführer Mathias Eilers und Heizer Thomas Fehrecke Richtung Brocken, aus newsclick.de

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Von Thomas Parr

Ich bin auf dem Weg nach Wernigerode. Das Autoradio läuft.
Hörfunknachrichten, 8.30 Uhr: Bundesweit sind Lokomotivführer in den Warnstreik getreten.
Ob nun auch die Lokführer der Harzer Schmalspurbahn in den Warnstreik getreten sind?
Hörfunknachrichten 9 Uhr: Der Warnstreik der Lokführer ist gerichtlich untersagt worden. Es wird dennoch weiter gestreikt.
Ob mein Zug wohl um 9.25 Uhr zum Brocken fährt? Ich stehe auf Bahnsteig 33 am Wernigeroder Hauptbahnhof der Harzer Schmalspurbahn. Es ist 9.10 Uhr.
Waggons stehen auf dem Gleis und zwei Reisegruppen besetzen die Abteile. Die rund 60 Seniorinnen und Senioren sprechen über alles, nur nicht über das trübe Wetter und über den Streik. Ist das die Gelassenheit des Alters?
Und dann dampft sie heran, die Lokomotive mit der Seriennummer 99 7239-9.
„Nee! Wir streiken nicht“, sagt Lokführer Mathias Eilers (47) zur Begrüßung. Obwohl er den Streik ja gut findet. „Wir verdienen doch bloß 1300 Euro netto. Das ist weniger als die Kollegen bei der Bahn haben.“
Gemeinsam mit Heizer Thomas Fehrecke koppelt er die Waggons an die Lok. 9.25 Uhr, ein Pfiff aus der Trillerpfeife des Stationsvorstehers und Eilers lässt die Lok butterweich anrollen.
Zu dritt stehen wir im Lokführerstand, der nur zwei Quadratmeter Platz bietet. Ich stehe zwangsläufig im Weg. Aber das kennen Eilers und Fehrecke schon. „Wir haben ja oft auch Ehrenlokführer dabei, die fahren dann den Zug. Das ist für unser eins ganz schön stressig. Es darf ja nichts passieren“, sagt Eilers.
Die Lok stampft und dampft und nimmt langsam Fahrt auf. Die Abrollgeräusche sind so laut, dass wir uns anschreien müssen.
„Die Gewerkschaft der Lokomotivführer hat zwar Kampfmaßnahmen für uns angekündigt,“ schreit Eilers mich an, „aber die Gespräche mit dem Bezirksvorstand sind eingeschlafen. Wir sind ja nur ein kleiner Betrieb mit rund 70 Lokomotivführern und Heizern. Da haben die Sorge, dass einer nicht mehr mitstreiken will und umfällt.“
Wir rumpeln durch den Tunnel bei Drei-Annen-Hohne. Der Lokführerstand wird von einer schummrigen 25-Watt-Birne erleuchtet.
Jeder Schwellenübergang erschüttert den Koloss – und damit die Bandscheiben. Gesund ist das nicht, oder?
„Ich habe Schäden in den Gelenken, im Rücken, in den Hüften und in den Knien vom Stehen und den harten Schlägen. Und das Gehör leidet durch die Fahrgeräusche und das Pfeifen der Lok.“
Das stimmt. Dieser schrille Ton, den Eilers durch den Wald gellen lässt, lässt das Trommelfell bis zum Hustenreiz vibrieren. Allerdings nur hier vorn in der Lok. In den Waggons ist das schon wieder anders. „Der Hörschaden ist das einzige, was als Berufskrankheit anerkannt wird“, schreit Eilers herüber. „Ach ja und Rheuma in den Schultergelenken kriegt man auch, weil man ewig aus dem Fenster lehnt, weil man ja die Strecke beobachten muss“, erklärt Eilers. Und setzt bitter nach: „Das alles gibt‘s für 1300 Euro netto. Na ja.“
Seit 31 Jahren ist er bei der Harzer Schmalspurbahn. Heizer Fehrecke ist seit eineinhalb Wochen dabei. Im Dezember wird der Zeitsoldat nach 12 Jahren aus der Bundeswehr entlassen. Jetzt wird er umgeschult. „Ich will Lokführer werden. Ich will mein Hobby zum Beruf machen“, sagt er und erntet einen amüsierten Blick vom Lokführer. „Na und? Ich finde den Job klasse“, verteidigt er sich lachend und schaufelt sogleich mit verbissener Miene Rohsteinkohle in die Feuerbüchse. Bis zum Brocken, nach 33 Kilometern Strecke, wird er eine Tonne Kohle bewegt haben.
Das Feuer in der Feuerbüchse lodert, strahlt enorme Hitze ab und macht warme Beine. Aber noch etwas anderes wird ordentlich heiß.
Kurz vorm Gipfel lüpft Eilers einen Lappen, der auf dem Rand der Feuerbüchse liegt. Zwei Alu-Rollen liegen darunter, darin eingewickelt haben die beiden Männer – dicke, lange Bockwürste. Eilers holt dazu aus seiner Tasche einen Becher mittelscharfen Senf. „Das ist die beste und schmackhafteste Methode, Bockwürste zu garen“, erklärt er kauend. „Auf dem Rückweg gibt es Krakauer.“
Im Brockenbahnhof putzt Eilers seine Lok. „Man will ja mit einer sauberen Lok unterwegs sein“, sagt er. Recht hat er, so ein romantisches Gefährt darf nicht schmutzig sein.
Dann geht es zwischen Fingerhut, Heidelbeeren, Tannen- und Laubwäldern talwärts. Es ist doch ein romantischer Job. Eilers blickt skeptisch: „Wenn Sie am Tag hier zweimal rauf- und runterfahren, jahrelang, dann gibt sich das.“

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