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Radebeul. Was unter der Straßenbahn geschah, wenn sie am Weißen Roß in Radebeul über die Gleise der Schmalspurbahn rollte, das beschreibt Roland Ende als kleines Erdbeben. „Die Räder der Straßenbahn sind in die 60 Millimeter breite und 40 Millimeter tiefe Spurrille der Schmalspurbahn gefallen und haben dabei nicht nur Lärm, sondern auch eine heftige Erschütterung verursacht“, erklärt der Bereichsleiter für Gleisinstandhaltung der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB). Und das geschah pro Straßenbahn nicht nur einmal: Jeder Radsatz ist in die Lücke hineingepurzelt – bei einem dreiteiligen Tatrazug war das genau zwölf Mal, eine Zahl, die selbst bei einem modernen Stadtbahnwagen erreicht werden kann. Technisch konnte die Gleiskreuzung zwischen Straßen- und Schmalspurbahn, die 1899 mit dem Bau der Straßenbahn von Mickten nach Kötzschenbroda nötig wurde, damals nicht anders gelöst werden. Im Zuge der Arbeiten an der Meißner Straße ist jetzt dagegen eine andere Lösung geplant, die das bisherige Erdbeben mit einem leisen „Klack-Klack“ ersetzen wird.
„Wir haben einen Experten im Weichenwerk Gotha gebeten, uns auszurechnen, wie die Kreuzung beschaffen sein muss, damit die Radsätze über die Herzstücklücke geräuscharm übersetzen“, sagt Roland Ende, der nicht nur für die DVB arbeitet, sondern außerdem ehrenamtlich im Traditionsbahnverein tätig ist und daher beide Bahnen genau kennt. Das Ergebnis: Wenn sich die beiden Schienenstränge in einem Winkel von weniger als 20 Gon (das sind 18 Grad) kreuzen, dann fallen die Räder nicht in die Spurrille hinein, sondern setzen auf dem Schienenkopf sanft über. Der Trick: Das Rad sowohl von Straßenbahn wie Schmalspurbahn ist breit genug, um bei einem relativ flachen Kreuzungswinkel mit einer Radseite vor der Rille gerade noch auf dem Schienenkopf aufzuliegen, während die andere Seite nach der Rille bereits schon auf dem Schienenkopf angekommen ist (siehe Grafik). „Solche Kreuzungen sind im Straßenbahnbereich längst üblich“, erklärt Ende, „für eine Kreuzung von Straßenbahn und Schmalspurbahn jedoch eine Novität.“
Etwa 350 Stunden haben die Mitarbeiter der DVB-Werkstatt in Dresden-Reick denn auch an dem neuen Tiefrillenherzstück gearbeitet, das in zwei Teilen zum Weißen Roß transportiert und voraussichtlich am 17. November eingebaut wird. Damit sich die Schienen der beiden Bahnen künftig in flacherem Winkel treffen, wird jetzt noch die Trasse der Schmalspurbahn im Bereich der Meißner Straße verschoben und in eine S-Form gebracht. „Wenn die Bahnen wieder rollen, wird das für die Anwohner eine deutliche Verbesserung sein“, ist sich Ende sicher.
Birgit Andert
letzte Aktualisierung von 07.11.2005