http://morgenpost.berlin1.de/content/
2005/07/23/ttt/768321.html
Die Berliner Parkeisenbahn an der Wuhlheide wird von Jugendlichen betrieben
Von Annett Kosche
„Willkommen am Hauptbahnhof.“ Professionell begrüßt Aufsicht Thomas Seidler (12) die Gäste an der Wuhlheide 189. Die Berliner Parkeisenbahner im Alter von elf Jahren an können sich durchaus an den Kollegen von der großen Bahn messen lassen. Sie überzeugen durch Freundlichkeit, Service und vor allem Pünktlichkeit. Der Fahrplan wird eingehalten, doch Zeit für eine nette Einladung bleibt: „Möchten Sie noch mit? Der nächste Zug kommt in 15 Minuten.“ Der Gast will zunächst ein paar Souvenirs erstehen, und so fertigt Thomas den Zug ab, eilt zum Schrankenwärterhäuschen zurück. Heute, aber „das ist eine Ausnahme“, ist der junge Mann im Range eines Zugführers auch verantwortlich, die Schranke zu schließen und zu öffnen. Kollege Daniel Wätzig (20), der nach neun Jahren bei der Parkeisenbahn mittlerweile Ausbilder ist, prüft gerade den Nachwuchs aus dem Grundkurs. Bei Erfolg übernehmen sie künftig die Schranke. 170 Parkeisenbahner im Alter von elf bis 40 Jahren halten zu 90 Prozent ehrenamtlich den Betrieb der Kinder- und Jugendeisenbahn aufrecht. Zehn Mädchen sind dabei. Da Fußballspieler oder Astronaut den Lokführer von der Liste der Traumberufe verdrängt haben, fehlt männlicher Nachwuchs für die unzähligen Aufgaben an der siebeneinhalb Kilometer langen Strecke, auf den sieben Bahnhöfen, im Bahnbetriebswerk oder bei den Fernmeldetechnikern. Die Berliner Schmalspurbahn ist auch Museumsbahn. So gibt es in zwei Lokschuppen und den Wagenhallen an 75 Fahrzeugen viel instandzusetzen.
Ein Kurssystem bereitet auf all die Aufgaben vom Streckenläufer bis zum Wagenmeister oder Lokführer vor. Im Winter wird Theorie gebüffelt, von März bis Oktober der Dienst am Fahrgast (62 000 pro Jahr) erbracht.
Mindestens jedes zweite Wochenende ziehen sich die jungen Leute die Uniform aus Pioniereisenbahntagen an. 1956 in der DDR gegründet, sicherten die Vereine Schmalspurbahn-Freunde Berlin und Dampf-Kleinbahn Mühlenstroth 1993 das Bestehen der Berliner Parkeisenbahn als gemeinnützige Gesellschaft und so den Erhalt eines Projekts, das sich vor allem mit Fahrgeldeinnahmen finanziert. Lediglich einen öffentlichen Zuschuß von 15 000 Euro im Jahr gibt es für eine halbe Stelle „Jugendarbeit“. Mit fortschreitender Ausbildung werden die Tätigkeiten anspruchs- und verantwortungsvoller. Die Jugendlichen sind sich der Verantwortung bewußt, ist doch die Parkeisenbahn ein Verkehrsunternehmen mit allen gesetzlichen Auflagen und Vorschriften. Die strenge Hierarchie, die ein Bahnbetrieb erfordert, nehmen sie mit Respekt vor den Dienstgraden ernst. Der Weg auf der Karriereleiter ist Ansporn für das eigene Handeln. Die Erfahrungen geben Rüstzeug für das Leben.
Stolz erzählt Tobias Golla (18), frisch geprüfter Bahnhofsleiter, von seinem Ausbildungsplatz bei der Bahn: „Von zwölf Azubis in meinem Jahrgang sind drei Parkeisenbahner.“ Eine Gemeinschaft, die verbindet. In der Pubertät ging Ralf Bendix (20), Leiter des Hauptbahnhofes, das Interesse „mal verloren“. Nach zwei Jahren zog es den künftigen Einzelhandelskaufmann zurück an die Strecke, um sich auch in der Freizeit weiterzubilden: „Parkeisenbahn ist viel mehr, als man als Kind versteht.“ Fragen von Mitschülern wie „Bist Du immer noch bei der komischen kleinen Bahn?“ quittiert er mittlerweile mit einem coolen „Na klar“. Selbstbewußtsein lernt ein Parkeisenbahner auch.
Gern erklären sie Rang und Abzeichen, weisen den Weg zu Freilichtbühne oder Badesee. Steigen Freunde, Familie und Arbeitskollegen zu, sei das Bestätigung, daß „die Zeit für das ausgefallene Hobby in die Jugend gut investiert ist“, sagt Lokführer Steven Dallmann (18). Neben allem technischen Interesse – die Verantwortung füreinander ist den Parkeisenbahnern besonders wichtig.
Liebe Leser, wer Parkeisenbahner werden will, erfährt mehr unter Tel.: 538 92 60 oder im Netz unter www.parkeisenbahn.de. Dort steht auch der Fahrplan. Kinder bis 14 Jahre zahlen 1,50, Erwachsene 2,50 Euro für eine Rundfahrt.